Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf haben seit 2014 das Recht auf einen Platz an einer Regelschule, wo sie zieldifferent unterrichtet werden. Das Marianne-Weber-Gymnasium (MWG) wurde 2015 „Schule des Gemeinsamen Lernens“.
Doch das ist nun vorbei. Die Förderschüler haben nun ihrer Abschlusszeugnisse erhalten.
Die Sonderpädagoginnen Katrin Brakemeier und Marlene Haftmann haben mit viel Engagement die Inklusionsarbeit zusammen mit dem Kollegium vorangetrieben.Beide wechselten von Förderschulen zum MWG, um die damals angemeldeten Förderschüler optimal zu begleiten. In Lemgo wurde gerade die Anne-Frank-Schule (Förderschule Lernen) geschlossen.
Nun hat die schwarz-gelbe Landesregierung das Rad zurückgedreht und das „Gemeinsame Lernen“ am Gymnasium zum Auslaufmodell erklärt. An Gymnasien in NRW sollen möglichst nur noch Schüler unterrichtet werden, die „zielgleich gefördert“ werden – das heißt, dass sie wie alle anderen das Abitur anstreben. Diejenigen, die „zieldifferent“ einen anderen Abschluss machen, sollen möglichst andere Schulformen besuchen.
Die Förderschüler, die vor sechs Jahren aufs MWG kamen und zieldifferent gefördert wurden, bedauern, dass das MWG bislang keine weiteren Kinder mit dem Unterstützungsbedarf „Lernen“ oder „Geistige Entwicklung“ aufnehmen konnte. „Da haben wir wohl Geschichte geschrieben“, meint Schüler Tim Offel schmunzelnd. Alle sind sich einig: „Wir haben die Schulzeit am MWG genossen und sind ein tolles Team geworden. Frau Brakemeier und Frau Haftmann sind wichtige Vertrauenspersonen – fast wie Mütter.“ In den ersten Schuljahren verlief der Unterricht weitestgehend in der gesamten Klasse. Dies war für alle Beteiligten eine wertvolle Erfahrung. Nur in den Hauptfächern wurden sie vermehrt in der Kleingruppe unterrichtet.
Nun halten sie unterschiedliche Schulabschlüsse in den Händen: den Förder- oder Hauptschulabschluss Klasse 9. „Jeder hat seine eigenen Stärken und Schwächen und daher gibt es verschiedene Abschlüsse“, sagt Tim, der seinen Hauptschulabschluss Klasse 9 erreicht hat.
Ein Mädchen findet es gut, nicht auf die Förderschule gegangen zu sein: „Ich fühle mich nicht so ausgegrenzt und kann sagen, dass ich ein Gymnasium besucht habe.“ Andere gehen offensiv mit ihrem Förderbedarf um und lassen sich von dummen Bemerkungen nicht klein kriegen. „Wir haben schöne Erlebnisse am MWG gehabt, konnten bei Theateraufführungen, Schulkonzerten oder dem Schulsanitätsdienst und der SV mitwirken“, berichten Jolene Busch und Joline Lamprecht.
Schulleiter Markus Herrmuth lobt den geschärften Blick auf vielfältige Stärken der Schüler, die durch die hinzugewonnene Expertise Einzug am MWG gehalten habe. Durch die stärkere Zusammenarbeit der Lehrkräfte untereinander und mit externen Experten sei im Sinne der Schulentwicklung viel erreicht worden.
„Inklusion bedeutet Teilhabe an der Gesellschaft und am gesamten Schulleben“, betont Katrin Brakemeier, und das sei am MWG trotz vieler Herausforderungen gelungen. Die Förderschüler bestätigen: „Wir haben was geschafft und ganz persönliche Ziele erreicht. Auch wenn es nicht immer leicht war, haben wir in netter Atmosphäre viel gelernt und erlebt.“
Thomas Krügler